Die Schweiz geht mit Elan ins 2014
Die Schweiz gehört zu den wenigen westlichen Ländern, die in den zurückliegenden Jahren auf ein solides Wachstum zurückblicken konnten. Und die Konjunkturaussichten für 2014 sind ausgesprochen gut.
Kein Konsumboom
Zweifellos haben die hohe Einwanderung, die negative Teuerung, das niedrige Zinsniveau sowie die solide Situation am Arbeitsmarkt dabei massgeblich zur Ankurbelung des Binnenmarktes beigetragen. Gemäss Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sind die privaten Konsumausgaben in den vergangenen fünf Jahren in der Schweiz trotz Wirtschaftskrise jährlich um 2% expandiert. Und dennoch kann nicht von einem Konsumboom die Rede sein. Wichtige Treiber hinter der robusten Konsumdynamik waren nämlich das mit der Zuwanderung einhergehende Bevölkerungswachstum sowie die steigenden Gesundheitskosten infolge der Überalterung und des zunehmenden Wohlstandes. Unter Ausklammerung dieser beiden Faktoren hätte der Konsum (pro Kopf) in den zurückliegenden fünf Jahren annualisiert um bescheidene 0,3% zugelegt.
Es lässt sich darüber streiten, wie gesund und nachhaltig ein von der Einwanderung sowie steigenden Gesundheitskosten getragenes Wachstum ist. Gleichwohl haben unbestrittenermassen auch Faktoren wie der flexible Arbeitsmarkt oder die vergleichsweise niedrige Staatsverschuldung der Schweiz dazu verholfen, die Krise glimpflich zu überstehen. Und auch für das Jahr 2014 sind die Aussichten für die Volkswirtschaft ausgesprochen gut. Die Hoffnungen der Ökonomen ruhen dabei auf der an Schwung gewinnenden Weltkonjunktur sowie vor allem auf den USA, welche die Folgen der Immobilien- und Schuldenkrise verdaut zu haben scheinen.
Arbeitsmarkt hinkt hinterher
Dass auch der Welthandel gemäss Prognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) allmählich anziehen und Wachstumsraten wie im vergangenen Jahrzehnt erreichen wird, ist für die kleine, offene Volkswirtschaft eine erfreuliche Nachricht. So haben die vorerst noch fragile Erholung der Weltkonjunktur und die Stabilisierung in Europa bereits zu einer Belebung der Schweizer Exporte beigetragen. Glaubt man den Prognosen der Ökonomen, werden die Ausfuhren im kommenden Jahr etwa dreimal stärker wachsen als 2013.
Dies dürfte auch den Ausrüstungsinvestitionen Schub verleihen, die unter den unsicheren Wirtschaftsaussichten und der niedrigen Kapazitätsauslastung gelitten haben. Sie waren bisher eine empfindliche Schwachstelle des Konjunkturmotors und tendieren nach wie vor deutlich unter ihrem Vorkrisenniveau. Dies könnte sich nun ändern.
Damit dürften die Unternehmen auch wieder vermehrt einen Ausbau ihres Personals ins Auge fassen. Betrachtet man die Prognosen zum Arbeitsmarkt, wird die Erholung jedoch langsam verlaufen. So wird die Arbeitslosenquote gemäss den Seco-Experten voraussichtlich erst 2015 einen signifikanten Rückgang aufweisen.
Die vorsichtige Einschätzung der Auguren hängt nicht zuletzt mit dem vermuteten «Missmatch» zwischen Arbeitsnachfrage und -angebot zusammen. Auf eine solche Divergenz lässt zumindest die gegensätzliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung schliessen. Während die Arbeitslosenquote im laufenden Jahr saisonbereinigt nämlich leicht gestiegen ist, sind innert Jahresfrist 48 000 Stellen geschaffen worden. Die Erklärung hierfür lautet, dass die Qualifikationen der Arbeitssuchenden oftmals nicht mit den Profilen der ausgeschriebenen Stellen übereinstimmen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden einige Arbeitslose auch in Zukunft nicht vom Stellenwachstum profitieren.
Beharrliche SNB
Keine grossen Veränderungen zeichnen sich 2014 bei der Inflationsentwicklung ab. Nach zwei Jahren negativen Teuerungsraten dürfte allerdings der preissenkende Effekt des starken Schweizerfrankens (über sinkende Importpreise) mehrheitlich verschwunden sein. Gleichwohl wird die Inflation voraussichtlich weiterhin bescheiden ausfallen. Dafür sprechen die nur langsam voranschreitende Konjunkturaufhellung in Europa sowie auch die weiterhin geringe Kapazitätsauslastung in der Schweiz.
Entsprechend sehen die meisten Ökonomen vorderhand für die Schweizerische Nationalbank (SNB) keinen Grund, von ihrer bisherigen Geldpolitik abzurücken. Auch dürften die Währungshüter noch einige Zeit an ihrer Wechselkursuntergrenze festhalten, zumal der Franken gemäss den meisten Schätzungen nach wie vor «überbewertet» ist. Gemäss Berechnungen von Economiesuisse dürfte es noch rund drei Jahre dauern, bis der Wechselkurs mit der tatsächlichen Kaufkraftparität übereinstimmen wird. Anders sieht man dies allerdings bei der Credit Suisse: Im Urteil der Ökonomen der Grossbank gibt es in der Realwirtschaft derzeit keine Hinweise mehr dafür, dass die hiesige Währung bei Fr. 1.20 gegenüber dem Euro überbewertet ist. Die Verteidigung der Untergrenze wird deshalb ihrer Ansicht nach im kommenden Jahr möglicherweise nicht mehr so problemlos verlaufen wie 2013. Allerdings befindet sich die Credit Suisse mit ihrer Ansicht unter Schweizer Ökonomen derzeit in der Minderheit.
Überraschungspotenzial
Mehrheitsfähig ist demgegenüber das Urteil, dass die lockere Geldpolitik für den Schweizer Immobilienmarkt eine wachsende Gefahr darstellt. Betrachtet man die weiterhin stetig steigenden Häuserpreise und das hohe Expansionstempo bei den Hypothekarkrediten, so war die Wirkung der Anfang Jahr beschlossenen Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers bisher bescheiden. Es ist deshalb anzunehmen, dass die SNB die Schraube bei den Banken stärker anziehen wird (NZZ 10.12.13).
Eine harte Landung am Immobilienmarkt hätte für die Schweizer Volkswirtschaft einschneidende Folgen. Die boomenden Häuserpreise und Hypothekarkredite sind aber nur ein Beispiel für die grossen Ungleichgewichte, welche die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken hervorgebracht hat. Ein Ausstieg könnte an den Finanzmärkten schwerwiegende Turbulenzen – wie erneute Devisenabflüsse aus Schwellenländern, starker Anstieg der langfristigen Zinsen, Einbruch an den Aktienmärkten – nach sich ziehen. Neben den ungelösten Strukturproblemen Europas stellen die möglichen Nebenwirkungen des – von der US-Notenbank bereits zaghaft angekündigten – Exits derzeit wohl eines der grössten Konjunkturrisiken dar. Aber auch eine weitere Abschwächung in den Schwellenländern würde der Weltkonjunktur einen empfindlichen Dämpfer versetzen.
Trotz erheblichen Gefahren betonen die Ökonomen allerdings erstmals seit längerer Zeit wieder, dass die konjunkturelle Entwicklung auch deutlich besser verlaufen könnte als erwartet. So würden eine kräftige Erholung in den USA, eine starke Belebung der Unternehmensinvestitionen oder die Stabilisierung des angeschlagenen europäischen Bankensystems der Weltwirtschaft zusätzlichen Schub verleihen. Wie immer ist jedoch die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Ökonomen auch mit Blick auf das Jahr 2014 mit ihren Prognosen daneben liegen werden.
Quelle:
http://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehme ... .18212939#