Hedonische Preisberechnung

Marcus Fabian

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27. Dez. 2011
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Zürich
Hedonismus (von altgriechisch ἡδονή, hēdonḗ, „Freude, Vergnügen, Lust, Genuss, sinnliche Begierde“

Engl.: Hedonic price index

Hedonismus bei der Berechnung des Bruttosozialproduktes versucht, den Mehrwert einer Ware in Zahlen umzusetzen. Es ist eine Erfindung der USA, obschon auch Deutschland seit 2005 sein BSP hedonistisch berechnet.

Die Idee dahinter ist folgende: Wenn man Waren miteinander vergleicht, stellt man schnell fest, dass auch äusserlich "gleiche" Waren nicht gleich sind. Ein Kilo Orangen aus einem Gewächshaus hat nicht denselben Wert wie ein Kilo Bio-Orangen, die unter freiem Himmel gewachsen sind.

Genau so hat ein Computer Jahrgang 1990 einen geringeren Nutzen als ein Computer Jahrgang 2012.

Demnach wird das Produkt mit einem Faktor für den Nutzen, Qualität (oder Lustgewinn) gewichtet.

Beispiel: Normale Orangen werden mit Faktor 1.0 gewichtet, gentechnisch versaute mit 0.5 und Bio-Orangen mit 2.5

Produziert Amerika nun von jeder Sorte 1 Tonne, haben wir unter Berücksichtigung dieser Faktoren 1.0 + 0.5 + 2.5 = 4.0 Tonnen.

Obschon die USA also nur 3 Tonnen Orangen produziert haben, fliessen in die hedonistische Statistik 4 Tonnen ein, weil ja eine Tonne Bio-Orangen soviel zählt wie 2.5 Tonnen normaler Orangen.

Besonders makaber wird der Hedonismus bei Computern. Wie wir alle wissen, verdoppelt sich die Speicherleistung etwa alle 6 Monate und die Rechenleistung alle 3 Jahre. Wegen dieser gesteigerten Nutzleistung wird ein $1000 Computer vom Herbst 2003 höher bewertet als sein gleich teures Vorgängermodell vom Frühling 2003.

Merke: Das hedonistische Verfahren versieht also Güter, die qualitativ besser oder bei gleicher Leistung billiger werden mit einem Gewichtungsfaktor.

Ich will mich jetzt nicht darüber auslassen, ob eine Sekretärin heute einen Brief schneller schreibt als 2000 oder 1995 aber Tatsache ist folgendes:

Zwischen 1995 und 2000 wurden in den USA Computer im Wert von $64 Mrd. produziert, die mit $240 Mill. in die Statistik einflossen. Die effektiven Verkäufe wurden also mit einem "hedonistic price index" von nahezu 4.0 multipliziert.

2007 lag der Multiplikationsfaktor für Computer bereits bei 8. Sprich: Verkäufe von $100 wurden statistisch im BIP als $800 gewichtet.

Fragt mich aber bitte nicht, wie hoch der Faktor jetzt, im Jahr 2012 ist. Bei 12? Wäre realistisch.

Entsprechend würde eine Umsatzzahl im Sinn von "Die USA haben Computer im Wert von 1200 Mrd. Dollar verkauft", nichts anderes bedeuten, dass effektiv nur Computer für $100 Mrd. verkauft wurden, diese Zahl aber mit dem hedonistischen Faktor 12 multipliziert wurde.

Zahlen aus den USA sind hedonistisch. Zahlen aus anderen Ländern nicht.

Wenn wir also lesen, Amerika hätte 2011 Elektronik im Wert von $200 produziert und Japan nur für $100 kann durchaus berechtigt angenommen werden, dass die Japaner mehr Elektronik produziert haben als die Amerikaner.

 
Der bekannteste und wichtigste Anwendung der hedonischen Preisberechnung ist im Immobilienmarkt. Hier stellt sich immer wieder die Frage nach dem Wert resp. dem richtigen Verkauf-/Kaufpreis eines Hauses. Häuser sind praktisch immer Unikate, selbst gleich gebaute sind auf verschiedenen Parzellen, die einen haben goldene, die andern silberne Türklinken etc. Aus diesem Grund und weil vergleichbare Häuser nicht jeden Tag verkauft werden, ist es schwierig, einen Marktpreis aus den tatsächlichen Verkäufen herzuleiten.Der Preis eines Hauses besteht modellhaft aus drei Typen von Einflussfaktoren:- Strukturelle: Haustyp, Kubatur, Grundstückfläche etc.- Nachbarschaftliche Eigenschaften: Nähe zu Autobahn, ÖV, Einkaufszentren, Schule, Wald, Quartier etc.- Umgebung: Lärm (Flugzeuge, Eisenbahn), Industrie-/LandwirtschaftsemissionenDurch mathematische Methoden kann die Auswirkung der einzelnen Faktoren (natürlich nur annähernd) bestimmt werden.Quellen: Wikipedia: Hedonic RegressionVorlesung ETH Zürich Oekonomie IILetzte auch für Leute mit etwas Mathe-Background geeignet, da Vorlesung für Ingenieure (oft Oekonomie-Banausen :) )Ich teile grundsätzlich die Ansicht von MarcusFabian bezüglich der Anwendung der hedonischen Preisberechnung auf andere Güter als Häuser. Diese unter Greespan eingeführte Methode wird m.E. zu Recht kritisiert. Gemäss dem oben zitierten Wikipedia-Artikel wird der amerikanischen Regierung unterstellt, durch die hedonische Preisberechnung im CPI (Consumer Price Index) die Inflationsrate tief zu halten um neben Renten und Löhnen auch die Zinszahlungen für sogenannte Treasury Inflation-Protected Securities (TIPS) tief zu halten.Die Computerbeispiele sind natürlich schon etwas absurd und mag nicht recht daran glauben, dass die Amerikaner sooo doof sind. Gerade der Computer (PC) ist eben ein gutes Beispiel dafür, diese Methode nicht zu verwenden. Im Gegensatz zu Bio- oder Nicht-Bio-Orangen habe ich die Wahl gar nicht, heute einen Compi von der Leistungsfähigkeit eines IBM PC AT (wer innert sich noch) entsprechend seiner Leistungsfähigkeit für Fr. 10 oder so zu kaufen nach dem Motto: Die Leistungsfähigkeit eines AT ist für meine Bedürfnisse immer noch ausreichend.Es ist ausserdem ziemlich witzlos, z.B. die Taktfrequenz in eine hedonische Preisberechnung einzubeziehen. Was nützen mir all die vielen Gigahertzes, wenn die moderne "bells and whistles" Software (fast) alles wieder zunichte macht?Wie die Häuserpreise in einen Preisindex einfliessen, ist im übrigen ein ganz anderes Kapitel (mal in der Annahme, dass eine hedonische Preisberechnung durchgeführt wurde) und wird vor allem in den USA auch heiss diskutiert. In der Schweiz könnte der Eigenmietwert so eine Indexkomponente sein (habe nicht nachgeschaut, ob er das ist).

 
Ich glaube nicht, dass hedonistische Häuserpreise in die Berechnung des BSP oder gar eines LIK einfliessen. Wozu auch?Wenn in der Schweiz im Jahr 2012 Häuser für exakt Fr 123.45 Mio gebaut wurden, dann hat genau diese Zahl in das BSP zu fliessen. Egal, ob die Häuser seither an Wert gewonnen oder verloren haben. Für das BSP sind rein die exakten Produktionskosten interessant.

 
Es werden nicht nur neue, sondern auch gebrauchte Häuser gehandelt. Die bezahlten Preise haben mit den Produktionskosten nichts zu tun. Der Markt bestimmt den Preis und bei tiefen Kapitalkosten gehen wegen der höheren Nachfrage eben die Preise hoch. Zu einem rechten Teil natürlich wegen der steigenden Landpreise. Ob die Landpreise in den oben genannten exakten Fr 123.45 Mio enthalten sind, bezweifle ich, sind aber in der Regel ein massiver Anteil der Kosten eines Hauses.Die hedonische Preisberechnung spielt nur eine Rolle, um überhaupt mal einen Preisansatz zufinden, resp. für den Hypothekargeber um sein Engagement abschätzen zu können. Ob dann ein Haus letztlich zu diesem Preis verkäuflich ist, steht nirgendwo geschrieben.Immobilienpreise sind nicht im LIK. Das Bundesamt für Statistik schreibt dazu:

In der schweizerischen Preisstatistik gibt es keinen Index der Immobilienpreise. Im Landesindex werden den Immobilienpreisen die gleiche Preisentwicklung wie den Mietpreisen unterstellt. Rund 2/3 der Haushalte in der Schweiz stehen in einem Mietverhältnis.
 
Merke: Das hedonistische Verfahren versieht also Güter, die qualitativ besser oder bei gleicher Leistung billiger werden mit einem Gewichtungsfaktor.
Danke für die Erklärung der hedonischen Preisberechnung MF. Das war mir gar nie wirklich bewusst und ich denke da bin ich nicht der einzige.
Ist eigentlich schon krass wie extrem so die Daten verzerrt werden. Bei welchen US Daten muss man von einer Verzerrung durch die hedonische Preisberechnung ausgehen?

GDP: hier sicher

Retail Sales: hier wohl auch

Jobs Report: hier nicht

Jobless Claims: hier auch nicht

Personal Income/Spending: hier auch nicht oder?

Home Sales: auch hedonic oder?

Case Shiller Home Price Index: hier auch?

Consumer Sentiment: hier nicht

 
und mag nicht recht daran glauben, dass die Amerikaner sooo doof sind
Ich seit einigen Jahr(zehnten) schon..........
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