NZZ:
Die täuschende 20-Prozent-Marke Die Forderung nach mindestens 20 Prozent Goldanteil in der Bilanz der Nationalbank mag für einige Ohren vernünftig klingen. Die Goldinitiative könnte aber dazu führen, dass der geforderte Goldanteil 50 Prozent übersteigt.
Die Nationalbank muss künftig mindestens 20% ihrer Aktiven in Gold halten. Das ist eine der zentralen Forderungen der Goldinitiative. Der Goldbestand der Notenbank ist im internationalen Vergleich schon jetzt sehr hoch und müsste sich gemäss Goldinitiative mindestens noch verdoppeln. Trotzdem mag für manche Ohren der geforderte Goldanteil von 20% an der Bilanzsumme nicht völlig unvernünftig klingen. Aber die Goldinitiative ist noch weit restriktiver, weil sie der Nationalbank (SNB) jegliche Goldverkäufe verbieten will. Jedes zugekaufte Kilo soll somit für ewig im SNB-Eigentum bleiben.
Bilanz mit Höhen und Tiefen
Die Bilanzsumme der Nationalbank schwankt stark. In der Tendenz ist sie in den letzten 20 Jahren zunächst relativ sanft gestiegen, nach dem Ausbruch der Finanzkrise ab 2008 dagegen massiv (vgl. Grafik). Trotz dem steigenden Trend ist die Bilanzsumme seit 1996 etwas öfter als jeden dritten Monat geschrumpft. Wegen des generellen Verbots von Goldverkäufen müsste die SNB in Zeiten schrumpfender Bilanzsummen laut Goldinitiative mehr als 20% in Gold halten.
Wäre der Rahmen der Goldinitiative Mitte der 1990er Jahre schon in Kraft gewesen, hätte dies in gewissen Perioden Goldanteile von etwa 25% erfordert.
Noch weit heikler wird es, wenn die SNB die spektakuläre Aufblähung der Bilanzsumme aus den letzten Jahren (Vervierfachung seit 2008) wieder rückgängig machen will – was früher oder später der Fall sein dürfte.
Nimmt man an, dass eine Normalisierung die Notenbankbilanz wieder zurück auf die Linie des relativ «ruhigen» Trendwachstums vor 2007 von etwa 3% pro Jahr führen wird, müsste die Bilanzsumme ab dem gegenwärtigen Stand bis 2020 um fast zwei Drittel schrumpfen bzw. bis 2025 um etwa drei Fünftel. Wäre die Goldinitiative mit dem 20%-Minimum und dem Verkaufsverbot heute schon umgesetzt, müsste die SNB damit bei einer Normalisierung der Bilanz bis 2020 als Minimum rund 60% ihrer Bilanzsumme in Gold halten und bei einer Normalisierung bis 2025 immer noch gut die Hälfte. Wenn die Bilanzsumme der Notenbank ständig stiege und der Goldbestand nicht weit über der Minimalvorgabe von 20% läge, wäre das Verkaufsverbot keine grosse Zusatzeinschränkung, doch in Zeiten von Bilanzschrumpfungen kann sich das drastisch ändern.
Wenig Rendite, viel Risiko
Wie andere neue Regeln würde auch die Umsetzung der Goldinitiative das Verhalten der massgebenden Akteure beeinflussen. Die SNB würde wohl vorsichtiger werden wollen mit der Ausdehnung der Bilanz – im Wissen um den damit verbundenen Zwang zu Goldzukäufen und dem Verbot von später eventuell notwendigen Verkäufen. Doch solche Überlegungen würden wohl auch Spekulanten am Devisenmarkt machen, weshalb diese in Zeiten mit grossem Aufwertungsdruck auf dem Franken die SNB umso eher testen würden. Das könnte die Nationalbank ironischerweise dazu zwingen, trotz ihrem Willen zu mehr Grundvorsicht in der Bilanzverwaltung gerade den gegenteiligen Kurs einzuschlagen, mit markanten Fremdwährungskäufen und mit erzwungenen Goldkäufen (
vgl. NZZ vom 30. 10. 14).
Gold gilt für Notenbanken und auch für Private bis zu einem gewissen Ausmass als sinnvolles Anlagevehikel zwecks Risikostreuung, dem speziell für Krisenzeiten auch eine Art Rückversicherungscharakter zukommt. Denn Krisen mit tauchenden Währungen und Aktienkursen können von einem starken Goldpreisanstieg begleitet sein. Anlageberater empfehlen für private Anleger oft einen Goldanteil von vielleicht 5% bis 10% des Vermögens.
Für sich alleine betrachtet ist Gold allerdings weder ein besonders rentables noch ein besonders «sicheres» Anlagegut. Nimmt man die bis 1926 zurückreichenden Datenreihen der Genfer Bank Pictet zum Massstab, dann wären aus einer 1926 im Schweizer Aktienindex investierten Hunderternote bis Ende 2013 einschliesslich Dividenden nominal 75 000 Fr. und teuerungsbereinigt 12 000 Fr. geworden. Via Schweizer Obligationen hätte sich die Hunderternote auf nominal 4300 Fr. und real 700 Fr. vermehrt – während sich der Goldpreis nominal nur etwa verzehnfacht hat und teuerungsbereinigt aus 100 Fr. etwa 160 Fr. geworden sind. Die Risiken, gemessen an den Preisschwankungen, sind zudem beim Gold im Vergleich zu Fremdwährungen oder anderen Anlagevehikeln typischerweise mindestens so hoch bis noch höher.
Versicherungsgebühr
Die relativ tiefe Rendite und die hohe Volatilität sind sozusagen der Preis für die Rückversicherung namens Gold. Währungen können praktisch wertlos werden, mit Gold ist das bisher nicht passiert. Allerdings können auch Versicherungen pleitegehen – und die Menschheit könnte eines Tages plötzlich zur bahnbrechenden Erkenntnis gelangen, dass das Gold seine Sonderstellung unter den Metallen nicht verdient und es absurd erscheint, mit hohen Kosten Metall aus den Tiefen der Erde zu fördern, zu verarbeiten und am Ende wieder unter der Erde zu bunkern. Garantien gibt es auch hier nicht. Das Gold ist somit letztlich wie andere Versicherungen eine Frage des Masses: Es mag empfehlenswert sein, etwas davon zu besitzen, doch allzu viel kann ungesund sein.
http://www.nzz.ch/wirtschaft/die-taeuschende-20-prozent-marke-1.18417617
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Bemerkenswert sind die beiden Zitate, die ich oben grün markiert habe:
Wäre der Rahmen der Goldinitiative Mitte der 1990er Jahre schon in Kraft gewesen,
hätte dies in gewissen Perioden Goldanteile von etwa 25% erfordert.
Bis 1999 hatte der Franken eine Deckung von 40%. Damals schien das noch kein Problem gewesen zu sein
Nimmt man an, dass eine Normalisierung die Notenbankbilanz wieder zurück auf die
Linie des relativ «ruhigen» Trendwachstums vor 2007 von etwa 3% pro Jahr führen
wird, müsste die Bilanzsumme ab dem gegenwärtigen Stand bis 2020 um fast zwei
Drittel schrumpfen bzw. bis 2025 um etwa drei Fünftel.
Wäre die Goldinitiative mit dem 20%-Minimum und dem Verkaufsverbot heute schon
umgesetzt, müsste die SNB damit bei einer Normalisierung der Bilanz bis 2020
als Minimum rund 60% ihrer Bilanzsumme in Gold halten und bei einer Normalisierung
bis 2025 immer noch gut die Hälfte.
Wie weiter oben in schon erwähnt, ist genau dies (= Reduktion der Geldmenge) systemisch gar nicht möglich.
Der Grund ist, dass in unserem Geldsystem neues Geld immer als Kredit auf die Welt kommt. Sprich: Die seit 2008 vervierfachte Geldmenge ist derzeit als Kredit in Umlauf. Entsprechend muss dieser Kredit auch immer verzinst werden. Für die Zinsen fehlt aber das Geld. Ergo muss die Geldmenge um jeweils diesen Betrag steigen.
Einfaches Beispiel:
Wir nehmen an, die Geldmenge sei 100 und muss zu 2% verzinst werden. Entsprechend ist im nächsten Jahr eine Geldmenge von 102 erforderlich (heutige Geldmenge plus Zinsen). Ist dies nicht der Fall, können einige ihre Schulden nicht inklusive Zins zurückzahlen und gehen bankrott.
Es wäre dann die Situation des Spieles "Reise nach Jerusalem.": 102 Kinder und 100 Stühle. Wenn die Musik aufhört zu spielen, kriegen 2 Kinder keinen Stuhl.