Trendfolge-Strategien

Marcus Fabian

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27. Dez. 2011
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Zürich
Beim Thema "Langfristige Anlagen" geht es insbesondere - aber nicht ausschliesslich - um Aktien-Anlagen. Wobei hier der Zielhorizont bei 5 Jahren oder mehr liegen sollte.

Auch wenn Aktien im Vordergrund stehen, wollen wir nicht all jene Faktoren ausser Acht lassen, die Aktien direkt oder indirekt beeinflussen. Seien es die Wirtschaftslage, Zinsen oder weltpolitische Ereignisse.

Im Cash-Forum hat User TeeTasse83 in einem mittlerweile gelöschten (oder nicht mehr auffindbaren) Thread die Trendfolge gemäss Morning-Star angesprochen.

Nun, die einfachst mögliche Trendfolge Strategie richtet sich nach dem gleitenden Durchschnitt der letzten 200 Börsentage (GD200, etwa 1 Kalenderjahr), wobei die Theorie besagt, dass man bei einen Durchbrechen der GD200 nach oben kaufen, bei einem Durchbrechen nach unten verkaufen soll.

Betrachten wir dies anhand des SMI der letzten 18 Jahre und beobachten, wann wir damit wie gut (oder schlecht) gefahren wären.

Dabei habe ich Verkaufssignale mit rot, Kaufsignale mit grün und Fehlsignale violett markiert:

04.16.2015-15.44.png


(1)

Eine schlechte Zeit für Trendfolger: Das Ausstiegssignal erfolgte Ende 1998 beim Kurs von ca. 7200. Der ideale Ausstiegspunkt wäre allerdings 1200 Punkte höher, bei 8400 gelegen.

Das Ausstiegssignal hat zwar vor dem Sturz auf 5100 bewahrt, aber wir kriegen um 7200 wieder einen Einstiegepunkt. Und in der Folge - das ganze Jahr 2000 lang - abwechselnd Ein- und Ausstiegssignale.

Wären wir diesen also konsequent gefolgt, hätten wir bei konstanter Kursdifferenz viel Geld für Trading-Gebühren verloren.

(2)

Das Verkaufssignal Anfang 2001 war einfach perfekt.

(3)

Klassisches Fehlsignal. Wir wären im Frühling 2002 bei etwa 6450 wieder eingestiegen, nur um einige Monate später bei 6300 wieder mit Verlust von 150 Punkten ausgestoppt zu werden. Frustrierend, sicher. Allerdings hat uns Signal (2) rund 1400 Punkte an Verlust gespart.

(4)

Ein guter, wenn auch nicht perfekter Einstiegspunkt bei 4700. Perfekt wäre der Einstieg bei 3700 gewesen, der just am 13. März 2013 stattfand. Jenem Tag, an dem die USA ihre Kriege gegen den Irak und Afghanistan begannen. Dennoch ein guter Einstieg, denn die nächste Herausforderung fand erst knapp 1000 Punkte höher statt.

(5)

Wieder ein klassisches Fehlsignal um 5600 Punkte Mitte bis Ende 2004. Abgesehen von Trading-Gebühren wohl ein Nullsummenspiel.

Schlussendlich aber ein sehr gute Kaufsignal bei 5600 in einen fast 2 Jahre lang währenden ungebremsten Aufwärtstrend.

(6)

Wieder ein Fehlsignal. Man hätte bei 7500 verkauft, um kurz darauf bei 7700 wieder nachzukaufen.

(7)

Der grösste Renner! Erfolgreicher Verkauf um 9000 Ende 2007 (= Platzen der Immobileinblase).

Wer hier in Cash gewesen wäre, hätte die ein Jahr später folgende Finanzkrise 1 gar nicht gross zu spüren gekriegt. Und somit auch nicht die Halbierung der Aktienpreise innerhalb der folgenden 15 Monate.

(8)

Ein recht guter Wiedereinstieg bei 5400, obschon der untere Wendepunkt von 4300 natürlich weitaus profitabler gewesen wäre.

(9)

Ausstieg, Einstieg, Ausstieg, Einstieg, Ausstieg, Einstieg ... Hallo? Was soll's denn sein? Hiiiiiiilllfeeeee!

Schlussendlich ein Ausstieg, der knapp 10% auf den nächsten Wiederinstieg bringt.

(10)

Soweit perfekter Einstieg Mitte 2012 bei etwa 5900 und mehr als 2000 Punkte Gewinn bis zum nächsten Verkaufssignal.

(11)

Dies ist die aktuell seit 2 Jahren andauernde Periode. Wir haben zwar regelmässig abwechselnde Verkaufs- und Kauf-Signale aber der Trend läuft bisher nach oben.

Würden wir nur diese Periode betrachten und alles andere ausblenden, könnte man zum Schluss kommen: "Aktien kaufen und liegen lassen und alle 'Charttechnischen' Signale ausblenden."

Dies wie gesagt das funktionierende Rezept für die Zeit ab 2013. Allerdings nicht unbedingt in der Vergangenheit.

---

Schlussfolgerungen:

GD200 hinkt nach: Aus (1), (2), (4), (7), (8) und (10) sehen wir, dass die GD200 zwar grundsätzlich funktioniert, aber der Realität weit hinterher hinkt.

So hätte man (4) gut 1000 Punkte Profit machen können, wäre man am unteren Wendepunkt eingestiegen und hätte nicht auf die GD200 gewartet.

Auch eine so "lahme Ente" wie die GD200 liefert Fehlsignale. (3), (5) und (9).

Man kann nun einen "Filter" einbauen, der besagt, "ich reagiere erst auf die Signale, wenn sie sich x Tage lang bestätigen." Das hat allerdings zum Nachteil, dass man dann auf korrekte Signale zu spät reagieren würde. :(2), (4), (7), (8) und (10)

Eine Variante, schneller ein Signal als bei der GD200 zu erhalten bestünde natürlich darin, eine andere GD mit niedrigerer Laufzeit als Signalgeber zu wählen. Also GD100, GD50, GD38 oder GD20.

Das ist soweit richtig. Nur, mit kürzeren GD's erhöht sich auch die Zahl der Fehlsignale.

Bei Seitwärtsbewegungen (1), (9) funktioniert eine Trendfolge-Strategie nicht. Da wäre es wohl besser, investiert zu sein, Divdidendenrenditen zu kassieren und Kurssteigerungen aussern-vor sein zu lassen.

Daraus folgt: Es geht nicht nur um den Trend (= Kurse steigen oder fallen tendenziell) sondern auch um das Momentum (also: wie stark steigen/fallen die Kurse). Dabei geht es schlussendlich darum, festzuhalten, wie stark oder schwach ein Markt ist.

Z.B.: Steigt der Markt, schwächt sich im Anstieg aber ab, ist das eine Warnung für eine kommende Trendwende.

Deshalb meine ich, dass man nicht nur den Trend sondern auch die Marktstärke (z.B. RSI) beachten sollte.

 
Wahrscheinlich müsste man einen Filter einbauen, um zu verhindern, dass beim Pendeln "um" die GD200 nicht tägliche Trades signalisiert werden.

Mögliche Ansatzpunkte:

* Der Kurs muss einen gewissen Abstand (x%) von der GD200 haben.

* GD200 muss einen Trend haben, also steigen oder sinken. Bei einer waagerechten GD200 wird nicht gehandelt.

Idealer Weise hätten wir ja nur wenige Trades zu machen: Verkaufen 2000, Kaufen 2003, Verkaufen 2007, Kaufen 2009

 
Idealer Weise hätten wir ja nur wenige Trades zu machen: Verkaufen 2000, Kaufen 2003, Verkaufen 2007, Kaufen 2009
Das ist eine Wunschvorstellung. Wie uns beiden bewusst ist, funktioniert das in der Realität nicht. Man könnte schon ein System zusammenbasteln, welches genau an diesen Punkten perfekt gehandelt hätte, no Problem. Aber das würde in der Zukunft nicht funktionieren. Ich finde es immer wieder lustig, wenn sich Leute über die hypothetischen Resultate aus der Vergangenheit von irgendeiner Trendfolgestrategie erfreuen, welche auf gerade mal 10 oder sogar noch weniger Signalen beruhren. Das ist totaler Nonsense. Aussagekraft gleich Null :D

Wahrscheinlich müsste man einen Filter einbauen, um zu verhindern, dass beim Pendeln "um" die GD200 nicht tägliche Trades signalisiert werden.

Mögliche Ansatzpunkte:

1) Der Kurs muss einen gewissen Abstand (x%) von der GD200 haben.

2) GD200 muss einen Trend haben, also steigen oder sinken. Bei einer waagerechten GD200 wird nicht gehandelt.
1) Hier würde dann einfach erst verspätet gehandelt, was man ja auch nicht unbedingt will.

2) Hier würden, wie man in den Charts oben sehen kann, wertvolle Signale nicht gehandelt werden.

 
Wahrscheinlich müsste man einen Filter einbauen, um zu verhindern, dass beim Pendeln "um" die GD200 nicht tägliche Trades signalisiert werden.
Genau das ist das Problem bei Trendfolgestrategien. Die Zeiten, in welcher kein Trend vorhanden ist, machen die Performance kaputt und können zu grossen Drawdowns führen.

Ein anderer möglicher Ansatz wäre noch die Signale nicht aus dem Tageschart zu holen sondern zB aus dem Monatschart. Damit würde verhindert, dass täglich das Signal wieder kehrt in einer längeren Seitwärtsphase. Es würden nur die Signale per Monatsende gehandelt.

Ich habe die GD-Strategie mal im Dow seit 1978 auf dem Monatschart getestet. Dabei habe ich alle verschiedenen Perioden des gleitenden Durchschnittes von 2 - 100 durchlaufen lassen.

Hier der Optimierungsreport (rechts steht die Periode vom GD)

Optimierungsreport_MA Cross_Dow_monthly.PNG

Das beste Resultat (nach Gewinn) wäre mit einem GD von 43 Perioden erzielt worden.

Hier die Kapitalentwicklung der Strategie (oben) und die einzelnen Signale (unten)

Equity Curve_MA Cross_MA43_Dow_monthly.png

und hier noch der Detail Report

Report_MA Cross_MA43_Dow_monthly.PNG

Der maximale Drawdown von 28.48% wäre hier noch einigermassen akzeptabel für einen simplen GD Trendfolger. Jedoch wurden hier nur 8 Signale gehandelt. Also Aussagekraft gleich Null wie oben schon erwähnt.

 
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Hier noch die gleiche Strategie mit einem GD von 19 Perioden.

Equity Curve

Equity Curve_MA 19_Dow_monthly.png

Detail Report

Report_MA 19_Dow_monthly.PNG

Damit wurden immerhin 34 Signale gehandelt. Aber ist halt schwierig im Monthly was brauchbares zu finden mit einer signifikanten Anzahl an Signalen.

PS: Die besten Systeme mit dieser simplen GD Trendfolge Strategie hätten mit dem Dow seit 1980 so um die 1'700% Gewinn gemacht. Der Dow selbst hat in dieser Zeit genau etwa den selben Anstieg vollzogen. Hätte man also auch gleich Long Only machen können, wobei dann die Drawdowns etwas grösser gewesen wären. Bei beiden eingestellten Systemen waren die Short Positionen alles in allem nicht erfolgreich. Das ganze wäre also besser gelaufen, wenn nur die Long Signale gehandelt worden wären und bei den Short Signalen einfach flat geblieben wäre.

 
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DAX simpler Trendfolger mit GD 7 im Monatschart seit 2000. Das sieht dann schon etwas besser aus.

Gewinn: 3'113%

Max DD: 14.06%

Equity Curve / Signale

Equity Curve_MA 7_Dax_monthly.png

Detail Report

Report_MA 7_Dax_monthly.PNG

Aber auch hier nur 24 gehandelte Signale.

 
Gute Arbeit   :bravo: Immerhin hat das System verschiedene Phasen (up- und Downtrend) durchlaufen, das ist schon mal gut, auch wenn es relativ wenig Signale sind. Für einen Langfrist-Investor könnte es zumindest eine kleine Hilfe sein. Aber auch hier braucht es Geduld und Disziplin.

 
Interessante Zusammenstellungen. Ist dieses Tool frei verfügbar?

Was mich interessiert ist, wie Du rechnest (bzw. das Tool): Angenommen, ich verkaufe 100 Aktien, halte Cash, die Börse sinkt um 50% und ich steige wieder ein. Dann kann ich für meinen Cash 200 Aktien kaufen und habe somit 100% Gewinn mehr Aktien. Wird das so gerechnet?

 
Interessante Zusammenstellungen. Ist dieses Tool frei verfügbar?
Habe die Backtests mit Pro Realtime gemacht. Gibt dort glaubs ein kostenloses Demo für zwei Wochen. Weiss aber nicht was da alles dabei ist. Ich habe es über IG.

Was mich interessiert ist, wie Du rechnest (bzw. das Tool): Angenommen, ich verkaufe 100 Aktien, halte Cash, die Börse sinkt um 50% und ich steige wieder ein. Dann kann ich für meinen Cash 200 Aktien kaufen und habe somit 100% Gewinn mehr Aktien. Wird das so gerechnet?
Was du meinen?

Die simple Trendfolge-Strategie oben ist immer investiert. Entweder Long oder Short. Schneidet der Kurs den gleitenden Durchschnitt nach oben geht es Long. Schneidet der Kurs den GD nach unten wird der Long verkauft und gleichtzeitig der Short eröffnet. Schneidet der Kurs den GD wieder nach oben wird der Short verkauft und wieder ein Long eröffnet. Und so weiter. Simpel and Stupid.

Gehandelt wird der Index. Im Beispiel vom DAX oben der DAX Kassa. Und zwar ein Kontrakt (gleich wie DAX Futures x 25EUR pro Punkt).

Der DAX eignet sich gemäss den Backtests oben sehr gut für solche simplen Trendfolger. Hat sich schon beim Test der GD 200 Strategie auf dem Tageschart hier besten von allen Dreien bewährt.

Bei einem Short Signal einfach die Long Position zu verkaufen und anstatt gleichzeitig Short zu gehen einfach flat zu bleiben bis wieder ein Long Signal folgt, wäre natürlich auch ein Möglichkeit. Wie man bei den Backtests vom Dow oben sehen kann wäre das dort die bessere Variante gewesen.

 
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Was du meinen?

...

Bei einem Short Signal einfach die Long Position zu verkaufen und anstatt gleichzeitig Short zu gehen einfach flat zu bleiben bis wieder ein Long Signal folgt, wäre natürlich auch ein Möglichkeit. Wie man bei den Backtests vom Dow oben sehen kann wäre das dort die bessere Variante gewesen.
Der Punkt ist: Wenn ich bei 100 verkaufe und in cash bin und nach einem 50% Absturz mit meinem Cash die doppelte Anzahl Aktien zurückkaufe, habe ich die doppelte Anzahl Aktien oder 100% Gewinn.

Berücksichtigt das die Software?

 
Hallo Marcus, bei tradingview unter script hier findest du viele gute Indikatoren von deren Erfinder erklärt, da hat es einiges für die Trendbestimmung, kostenfrei und realtime, der DAX findest du unter GER30, DOW-US30, WTI-CL1!, Gold-XAUUSD.

Leider konnte ich den Link nicht reinkopieren.

Habe gerade bemerkt, dass du nicht den Indikator meintest, sorry, lasse es aber stehen, vielleicht findet jemand die Seite interessant, mir gefällt sie.

 
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Der Punkt ist: Wenn ich bei 100 verkaufe und in cash bin und nach einem 50% Absturz mit meinem Cash die doppelte Anzahl Aktien zurückkaufe, habe ich die doppelte Anzahl Aktien oder 100% Gewinn.

Berücksichtigt das die Software?
Also da musst du mir noch erklären wie du das genau machst :? :eek: :dancing:

Nein im ernst, nach ein paar mal durchlesen, glaube ich verstanden zu haben was du meinst. Du bist davon ausgegangen, dass das System immer voll investiert ist (mit dem ganzen Kapital) und wenn der DAX Kurs 50% fällt während das System nicht investiert ist, dann kauft es beim nächsten Kaufsignal logischerweise die doppelte Anzahl DAX. Jedoch würde es auch in dieser Variante keinen 100% Gewinn haben zu diesem Zeitpunkt.

Das System oben funktioniert sowieso anders. Es kauft immer die gleiche Anzahl vom Index. Nämlich immer 1 Kontrakt vom DAX Kassa Index (x25 wie der DAX Futures) egal wie gross das Kapital ist. Das könnte man natürlich auch anders handhaben. Zum Beispiel mit einem zusätzlich integrierten Moneymanagement, welches immer x% vom Kapital investiert.

Anyway, vielleicht hast du auch was an der Grafik falsch verstanden. Oben ist die Equity Kurve, also die Entwicklung vom Kapital. In der Mitte sieht man ob das System Long oder Short war. Und unten sieht man den Chart des DAX Kasse mit den Long- und Shortsignalen. Der Gewinn in Prozent ist relativ. Das System hat in diesem Beipsiel mit einem Kapital von EUR 10'000 gestartet. Wenn ich das Startkapital auf EUR 100'000 setze, dann reduziert sich der Gewinn in Prozent logischerweise um den Faktor 10. Das gute ist aber die Entwicklung der Equity Kurve. Diese geht recht konstant nach oben, während der DAX in dieser Zeit extreme Schwankungen hatte.

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Ich trade nun schon mehrere Jahre und kann mit Gewissheit sagen, dass Indikatoren nichts Wert sind. Der Chart und der Kurs allein sind es die der Ursprung des Handelns sind. Technische Analyse ist es dass uns weiter bringt.