Anleger sind trotz der Börsenhausse vorsichtigDer Swiss Market Index steigt nicht dank hoher Nachfrage, sondern wegen geringem AngebotMichael GriesdorfDer Swiss Market Index (SMI) steigt und steigt und legt seit Anfang Jahr eine regelrechte Rally hin, wenn auch der Schweizer Index im Gegensatz zu anderen Leitindizes noch kein Allzeithoch erreichen konnte. Aufgrund des geringen Zinsniveaus geraten immer mehr Investoren in einen Anlagenotstand und suchen in Aktien eine gewinnbringende Anlage. Doch derzeit steigen die Kurse nicht wegen einer angeheizten Nachfrage, sagt Christian Gattiker, Chefstratege und Head Research von Julius Bär, im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Vielmehr habe sich das Überangebot der letzten Jahre deutlich abgebaut. Banken, Pensionskassen wie auch Versicherungen haben in den letzten zehn Jahren ihre Engagements im Aktienmarkt strukturell reduziert – nicht immer freiwillig. Denn einige mussten in der Krise ihre liquiden Vermögenswerte – darunter eben auch Aktien – unter Druck veräussern. Schon allein die Abwesenheit solcher erzwungenen Verkäufe reiche schon, damit die Notierungen steigen, erklärt Gattiker weiter.Viele fehlen bei der PartyDas ist auch der Grund, warum im Gegensatz zur Hausse zwischen 2006 und 2008 die Handelsvolumen gering geblieben sind. Zwar muss beim historischen Vergleich berücksichtigt werden, dass sich der Börsenhandel vermehrt auf neue ausserbörsliche Plattformen verlagert hat, gibt Gattiker zu bedenken. Dennoch partizipieren noch längst nicht alle Anlegergruppen so stark wie in früheren Rallys an der neuen Party.Auch auf internationaler Ebene lässt sich das anhand des State Street Investor Confidence Index – er berechnet mit den Kauf- und Verkaufsaufträgen den Risikoappetit der institutionellen Anleger – herauslesen. Investoren gewinnen zwar wieder mehr Vertrauen in risikoreiche Anlageklassen. Sie investieren aber noch längst nicht so stark und risikoreich wie früher, und während die institutionellen Anleger in den USA risikofreudiger wurden, gilt für Europa und Asien das Gegenteil.Bisher keine Great RotationIn der Schweiz werden die Pensionskassen eher wieder etwas risikofreudiger. Sie haben laut einer Studie von Towers Watson zwischen 2007 und 2012 rund 30% ihres Anlagekapitals in Aktien investiert. Laut einer Studie der Credit Suisse hat dieser Anteil im ersten Quartal 2013 auf 31,3% zugenommen, während er 2011 und 2012 zwischen 27 und 29% schwankte. Devestiert haben die Pensionskassen dafür bei den Bargeldbeständen, bei Anleihen, Immobilien (inkl. Hypotheken) und alternativen Anlagen.Banken investieren die ihnen anvertrauten Vermögen ebenfalls wieder etwas mehr in Aktien. Daniel Kalt, Chefökonom Schweiz der UBS, bestätigt dies. Er spricht jedoch von einem ersten kleinen Schritt. Zwar fange die UBS langsam an, in Aktien zu investieren. Nach wie vor halte sie aber an einer noch stärkeren Übergewichtung in Hochverzinslichen sowie in Unternehmensanleihen mit Anlagequalität (Investment Grade) fest. Von einer grossen Rotation – Great Rotation – von Anleihen in Aktien könne grundsätzlich noch lange nicht gesprochen werden. Eher handelt es sich um eine Umschichtung von Bargeld, wie auch Scott Mather, Chef von Pimcos globalem Portfoliomanagement, gegenüber «Finanz und Wirtschaft» erklärte.Auch private Anleger wagen sich offenbar nur zaghaft an den Aktienmarkt heran, nachdem sie in den letzten Jahren durch die volatilen Kurse zurückhaltender geworden sind. «Wir sehen, dass unsere Kunden wieder etwas mehr in Aktien investieren. Doch auch sie halten sich noch stark zurück», so Kalt.Ein weiteres Indiz, wie sich die privaten Anleger derzeit verhalten, sind die Nettoneugeldzuflüsse der Anlagefonds. Zwar ist auch hier ein Zufluss im ersten Quartal 2013 in Aktienfonds zu verzeichnen. Laut Alfred Strebel, Schweiz-Chef von Fidelity International, kommen die neuen Mittel für Aktieninvestitionen vermehrt aus Umschichtungen von den Geldmarktfonds. Obligationenfonds haben dagegen rund dreimal mehr Gelder erhalten. Damit zeigt sich auch hier, dass Anleihen gegenüber Aktien nach wie vor die beliebtere Anlageklasse sind.